Das „Confiteor“
Wie der Psalm Iudica lange Zeit keine einheitliche
Ordnung kannte, so ging es auch dem
Confiteor. Ein einheitliches Formular gab es lange Zeit nicht dafür.
Ein Vorläufer der späteren Confiteor-Formeln war die
verbreitete Apologie: „Vor dem Angesicht deiner göttlichen Majestät, o Herr,
und dieser deiner Heiligen bekenne ich dir, meinem Gott und meinem Schöpfer,
durch meine Schuld, denn ich habe gesündigt in Stolz in Haß und Neid, in
Begierde und Geiz, in Unzucht und Unreinheit, in Rausch und Trunkenheit, in
Lüge und Meineid und in allen Lastern, die aus diesen hervorgehen. Was noch?
Durch Sehen, Hören, Geruch, Geschmack und Tasten und durchaus in Gedanken,
Worten und Taten bin ich verdorben; deshalb, der du den Sünder gerechtfertigst, rechtfertige auch
mich und laß mich auferstehen vom Tod zum Leben, Herr mein Gott.“
In dieser Apologie spricht der Zelebrant ein ausführliches
Bekenntnis seiner Sünden und Fehler vor seinem „Gott und Schöpfer“, in dem auch
bereits das spätere mea culpa vorkommt, wobei ein ausführlicher Sündenkatalog
erwähnt wird. In den späteren Confiteor-Formeln geht man von diesen
Sündenkatalogen weg zu einem allgemeinen Bekenntnis peccavi nimis cogitatione, verbo et opere [daß ich viel gesündigt habe
in Gedanken, Worten und Werken]. Der
bedeutendste Unterschied liegt aber darin, daß das Bekenntnis nur vor Gott
erfolgt, während in den Confiteor-Formeln die soziale Dimension von Sünde
aufscheint. Das Bekenntnis wird vor vobis
fratres und den Heiligen abgelegt, die auch um Fürbitte vor Gott gebeten
werden.
Diese ursprüngliche und weitverbreitete Apologie führte dann
ab der Jahrtausendwende zu den ersten förmlichen Confiteor-Formeln. Eine sehr
kurze, frühe Formel war in Cluny um 1080 in Gebrauch:
„Ich bekenne Gott und
allen seinen Heiligen und euch, Vater, daß ich gesündigt habe in Gedanken,
Worten und Werken, durch meine Schuld. Ich bitte euch, betet für mich.“
Diese neue Form des Sündenbekenntnisses bringt bereits gut
zum Ausdruck, was für alle späteren Confiteor-Formeln auch gilt: das Bekenntnis
des ersten Teils geschieht vor Gott und der himmlischen Kirche, die Fürbitte im
zweiten Teil richtet sich zuerst an die irdische Kirche und, im Bewußtsein der communio sanctorum, an die himmlische.
Schon bald, auch schon im 11. Jahrhundert, waren auch
längere Formeln üblich. Sie wurden immer ausgedehnter, so daß das
Generalkapitel der Zisterzienser im Jahr 1184 bestimmen mußte, daß vor allen
Heiligen die Gottesmutter zu nennen sei: Confiteor Deo et beatae Mariae et
omnibus Sanctis.
Im Verlauf des Mittelalters wuchs die Zahl der Heiligen, vor
allem im zweiten Teil, immer weiter an. Das Konzil zu Ravenna bestimmte deshalb
1314, außer Maria nur noch Michael, Johannes den Täufer und die Apostel Petrus
und Paulus zu nennen, wie wir es noch heute tun.
Auch die Umschreibung und Aufzählung der Sünden wurde immer
konkreter. Das Bekenntnis wurde nahezu zu einem Sündenbekenntnis in specie, wie
man es mancherorts vom Chorgebet kannte. Dabei wirkten wohl Confiteor-Formeln
ein, die für die sakramentale Beichte dienten. Die mittelalterlichen Liturgieerklärer
mißbilligen diese Entwicklung, da es sich hier nicht um ein geheimes sondern
ein öffentliches Bekenntnis handle.
Von Anfang an wurde das Confiteor tief verbeugt gesprochen,
wie diverse Meßordines erwähnen, wenngleich auch das Knien verbreitet gewesen
sein muß. Auch das Schlagen an die Brust beim mea culpa wird schon früh
erwähnt.
(Martin Reinecke in: Dominus Vobiscum 10, 2015)
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