Donnerstag, 11. Januar 2018

Das STUFENGEBET (3/15)



Irland, das nie römische Provinz war, blieb von den Wogen der Völkerwanderung verschont und war darum auch weniger späteren Einflüssen unterworfen. Es konnten sich deshalb dort verschiedene frühchristliche Gewohnheiten, frühe bestimmte Fassungen des biblischen Textes und vor allem ein altertümlicher Meßbuchtypus lange Zeit rein erhalten.

Der Römer Palladius war 431 von Papst Coelestinus (422-432) zum Bischof geweiht und mit vier Priestern nach Irland gesandt worden, um die dort bereits zahlreich lebenden Christen zu betreuen. Palladius hat nun, wie es üblich war, liturgische Bücher mit in sein Missionsgebiet gebracht, wie sie zu seiner Zeit in seiner Heimat Rom gebräuchlich waren. Auf dieses Exemplar gehen die späteren irischen Meßlibelli zurück. Sie stellen deshalb Zeugnisse für die stadtrömische Liturgie des 5. Jahrhundert dar. Sie haben jeweils nur wenige Meßformulare, die keinen Bezug zum Kirchenjahr haben. Daraus schließen wir, daß es in Rom allem Anschein nach noch bis ins 6. Jahrhundert, vielleicht sogar bis zu Gregor dem Großen, kein offizielles Jahres-Sakramentar gab, sondern ähnlich wie noch heute in den orientalischen Riten das ganze Jahr über eine missa communis in Übung war, die eben Palladius nach Irland mitgebracht hat und die sich in einigen späteren Abschriften erhalten hat.

Die bekannteste davon ist das sogenannte Stowe-Missal aus dem 8./9. Jahrhundert, geschrieben in   Tallaght und vollständig erhalten. Am Anfang dieses Missales steht eine missa canonica, in der wir nun erstmals eine Art Bußritus zu Beginn der Meßfeier finden.

Zu Beginn der missa cononica des Stowe-Missal steht eine altertümliche letania, eine Allerheiligenlitanei mit der vorausgehenden Antiphon: 
Wir haben gesündigt, o Herr, wir haben gesündigt. Erbarme dich über unsere Sünden:  und rette uns. Der du den Noe über die Wogen der Sintflut geleitet hast: erhöre uns. Und Jonas aus dem Abgrund durch (dein) Wort zurückgerufen hast: befreie uns. Der du dem sinkenden Petrus die Hand ausgestreckt hast: hilf uns Christus, Sohn Gottes. Du hast Wunder getan, o Herr, mit unseren Vätern, erbarme dich auch unserer Zeiten. Sende aus  deinen Arm aus der Höhe: befreie uns.

[…] Das spätere Kyrie zu Beginn der römischen Messe, wie wir es noch heute kennen, ist nichts anderes als der Schluß der alten letania, wie sie auf dem Weg zur Stationskirche gesungen wurde. In späteren Liturgiebüchern heißt es deshalb, das Kyrie der Messe falle aus, wenn eine solche Prozession mit der Allerheiligenlitanei vorausgeht.

(Martin Reinecke in: Dominus Vobiscum 10, 2015)

The Shrine of the Stowe Missal

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