Ein Artikel vom 11.Oktober 2008 aus der Rheinische Post, zwar ist der Artikel schon einige Jahre alt, zeigt er doch auf bemerkenswerte Weise wie unvoreingenommen und positive man der "Alten Messe" begegnen kann. Er ist deswegen besonders lesenswert:
RP-Artikel_11.10.2008 |
Immer
öfter werden in der katholischen Kirche wieder Gottesdienste nach altem
Römischen Ritus gefeiert: in lateinischer Sprache, häufig knieend und
betend, mit Mundkommunion und einem Priester, der mit dem Rücken zur
Gemeinde zelebriert. Ein Gottesdienstbesuch in Mönchengladbach.
Mönchengladbach. „In nomine
Patris, et Filii, et Spiritus sancti. Amen. Introibo ad altare Dei. Ad
Deum, qui laetificat iuventutem meam.“ Pfarrer Wilhelm Pötter spricht
das Gebet zu Beginn der Messe in Latein und mit dem Rücken zur Gemeinde.
Und daran ändert sich im gesamten Gottesdienst kaum etwas. Denn in der
Mönchengladbacher Pfarrkirche Heilig Kreuz wird an diesem Abend die
Messe nach einer Liturgie gefeiert, die so alt ist, dass sie manchem
fast revolutionär neu erscheinen mag: nach dem sogenannten Römischen
Ritus von 1570, der auf dem Konzil von Trient (1545 und 1563)
beschlossen und nach ihm benannt wurde.
Uralt ist die Tridentinische Messe also, die das
Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) grundlegend reformiert hatte.
Seine Ansinnen: Der Pfarrer sollte künftig der Gemeinde zugewandt
zelebrieren, vor allem aber sollte er die jeweilige Volkssprache
verwenden, weil es „für das Volk sehr nützlich sein kann“, die Gebete
auch zu verstehen. Irgendwann, als die Kirchen immer leerer und die
Gemeinden immer kleiner wurden, schien man zu ahnen, dass auch das
Bedürfnis nach Spiritualität sehr nützlich für das Volk sein könne.
„Oramus te, Domine, per merita Sanctorum tuorum,
quorum reliquiae hic sunt, et omnium Sanctorum: ut indulgere digneris
omnia peccata mea. Amen.“ Pfarrer Pötter grüßt die Reliquien. Auch an
diesem Montagabend ist das Kirchenschiff nicht voll. Nur etwa 40 sind
zur Tridentinischen Messfeier nach Mönchengladbach gekommen. Auch sonst
darf die Feier als eine eher exklusive Veranstaltung gelten: Heilig
Kreuz ist lediglich eine von drei Kirchen im ganzen Aachener Bistum, die
den Gläubigen seit April dieses besondere Angebot regelmäßig machen.
Das ist herzlich wenig – und doch ungeheuer viel im
Vergleich zu früheren Jahren. Denn erst Juli 2007 hatte Papst Benedikt
XVI. verfügt, dass der Römische Ritus in Ausnahmefällen möglich sei –
vorausgesetzt, eine „stabile Gruppe“ von Gläubigen wünscht dies. In
Mönchegladbach war es der Zahnarzt Christoph Haass, der Gleichgesinnte
suchte. Das hat er per Zeitungsannonce getan. Sofort meldeten sich 50
Leser.
Viel mehr dürften es seitdem kaum geworden sein; aber
die, die gekommen sind, haben den Weg bewusst gewählt. Wie Bruno Röhrig
(74), der mit dem alten Ritus aufgewachsen ist, der fleißig Messdiener
war und der es einfach schätzt, dass nicht der Priester, sondern wieder
Gott im Mittelpunkt steht. Oder wie die 36-jährige Sabine Eßer, die hier
einfach die Ruhe genießt und die Zeit zum Beten.
Viel Stille herrscht zwischen wundersam klingenden
Gregorianischen Chorälen, es wird viel gekniet, viel gebetet. Das Ritual
ist die heilige Form, die sich im Kirchenschiff ausbreitet und auf
diese Weise Pfarrer und Gläubige als Gemeinschaft umfängt. Leiseste
Geräusche beginnen zu dröhnen in Heilig Kreuz, wie die paar Münzen, die
der Stadtstreicher in den Opferstock wirft, eine Kerze entzündet und
sich irgendwo ins Seitenschiff setzt.
„Per evangelica dicta deleantur nostra delicta“, betet
Pötter still, nachdem er den Anfang des Evangeliums geküsst hat. Und
wie ist das für einen Geistlichen, mit dem Rücken zur Gemeinde zu
zelebrieren? Eine falsche Frage, weil es auf die Perspektive ankommt.
Seine Haltung sei nicht trennend, so der 74-Jährige – im Gegenteil: „Ich
blicke mit der Gemeinde zum Kreuz.“
Der Römische Ritus ist feierlich, sehr andächtig und
mystisch, eben keine „Kaffeefahrtveranstaltung“, wie Pötter sagt. Und
wer die lateinischen Worte und Sätze hört, die im Widerhall des
Kirchenschiffes selbst für den Lateinkundigen zu einem geheimnisvollen
Singsang verschwimmen, beginnt das Alter des Christentums zu erahnen,
seine Wurzeln und die heilige Stille, die aus ferner Zeit zu kommen
scheint. Ein tiefer Ernst wohnt dieser Messe inne und eine tiefe
Ehrfurcht.
„Ecce Agnus Dei, ecce qui tollit peccata mundi.“ Bei
der Wandlung halten die knieenden Messdiener die Zipfel der
Priestergewandes. Auch damit wird die Gemeinschaft der Gläubigen am
Geheimnis beteiligt. Sie geht in dieser kleinen Geste auf Tuchfühlung
mit dem Großen. Der Ritus schöpft seine Feierlichkeit aus der Kraft
seiner Symbole. So auch aus der Mundkommunion, die der Teilnehmer am
Abendmahl gleichfalls knieend empfängt. Das macht heutzutage eigentlich
keiner mehr. Selbst bei Gottesdiensten im Petersdom ist es längst
üblich, die Hostie vom Priester in die Hand zu bekommen, aus der der
Gläubige sie sich dann selbst in Mund steckt. Solche Eigenmächtigkeiten
gibt es im alten Ritus nicht. In ihm wird die Mundkommunion zum Zeichen
des Geschenk Gottes und wird die Ehrfurcht vor der Eucharistie
unmittelbar erfahrbar.
„Benedicat vos omnipotens Deus, Pater, et Filius, et
Spiritus Sanctus. Amen.“ Es ist bereits dunkel geworden, als die
Gläubigen die Kirche verlassen. Der Gang heraus dem Kirchenportal
erscheint jetzt wie der Übertritt in eine neue Gegenwart. Die
Gemeinschaft, die vor Heilig Kreuz noch kurz beieinander steht, ist
übersichtlich. Nächste Woche Montag aber wird sie wieder zusammenkommen.
https://nachrichten.rp-online.de/wissen/alter-ritus-ganz-lebendig-1.15125
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