Montag, 28. Januar 2013

Alter Ritus ganz lebendig


Ein Artikel vom 11.Oktober 2008 aus der Rheinische Post, zwar ist der Artikel schon einige Jahre alt, zeigt er doch auf bemerkenswerte Weise wie unvoreingenommen und positive man der "Alten Messe" begegnen kann. Er ist deswegen besonders lesenswert:

 

RP-Artikel_11.10.2008



VON LOTHAR SCHRÖDER 
Immer öfter werden in der katholischen Kirche wieder Gottesdienste nach altem Römischen Ritus gefeiert: in lateinischer Sprache, häufig knieend und betend, mit Mundkommunion und einem Priester, der mit dem Rücken zur Gemeinde zelebriert. Ein Gottesdienstbesuch in Mönchengladbach. 

Mönchengladbach. „In nomine Patris, et Filii, et Spiritus sancti. Amen. Introibo ad altare Dei. Ad Deum, qui laetificat iuventutem meam.“ Pfarrer Wilhelm Pötter spricht das Gebet zu Beginn der Messe in Latein und mit dem Rücken zur Gemeinde. Und daran ändert sich im gesamten Gottesdienst kaum etwas. Denn in der Mönchengladbacher Pfarrkirche Heilig Kreuz wird an diesem Abend die Messe nach einer Liturgie gefeiert, die so alt ist, dass sie manchem fast revolutionär neu erscheinen mag: nach dem sogenannten Römischen Ritus von 1570, der auf dem Konzil von Trient (1545 und 1563) beschlossen und nach ihm benannt wurde.
Uralt ist die Tridentinische Messe also, die das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) grundlegend reformiert hatte. Seine Ansinnen: Der Pfarrer sollte künftig der Gemeinde zugewandt zelebrieren, vor allem aber sollte er die jeweilige Volkssprache verwenden, weil es „für das Volk sehr nützlich sein kann“, die Gebete auch zu verstehen. Irgendwann, als die Kirchen immer leerer und die Gemeinden immer kleiner wurden, schien man zu ahnen, dass auch das Bedürfnis nach Spiritualität sehr nützlich für das Volk sein könne.
„Oramus te, Domine, per merita Sanctorum tuorum, quorum reliquiae hic sunt, et omnium Sanctorum: ut indulgere digneris omnia peccata mea. Amen.“ Pfarrer Pötter grüßt die Reliquien. Auch an diesem Montagabend ist das Kirchenschiff nicht voll. Nur etwa 40 sind zur Tridentinischen Messfeier nach Mönchengladbach gekommen. Auch sonst darf die Feier als eine eher exklusive Veranstaltung gelten: Heilig Kreuz ist lediglich eine von drei Kirchen im ganzen Aachener Bistum, die den Gläubigen seit April dieses besondere Angebot regelmäßig machen.
Das ist herzlich wenig – und doch ungeheuer viel im Vergleich zu früheren Jahren. Denn erst Juli 2007 hatte Papst Benedikt XVI. verfügt, dass der Römische Ritus in Ausnahmefällen möglich sei – vorausgesetzt, eine „stabile Gruppe“ von Gläubigen wünscht dies. In Mönchegladbach war es der Zahnarzt Christoph Haass, der Gleichgesinnte suchte. Das hat er per Zeitungsannonce getan. Sofort meldeten sich 50 Leser.
Viel mehr dürften es seitdem kaum geworden sein; aber die, die gekommen sind, haben den Weg bewusst gewählt. Wie Bruno Röhrig (74), der mit dem alten Ritus aufgewachsen ist, der fleißig Messdiener war und der es einfach schätzt, dass nicht der Priester, sondern wieder Gott im Mittelpunkt steht. Oder wie die 36-jährige Sabine Eßer, die hier einfach die Ruhe genießt und die Zeit zum Beten.
Viel Stille herrscht zwischen wundersam klingenden Gregorianischen Chorälen, es wird viel gekniet, viel gebetet. Das Ritual ist die heilige Form, die sich im Kirchenschiff ausbreitet und auf diese Weise Pfarrer und Gläubige als Gemeinschaft umfängt. Leiseste Geräusche beginnen zu dröhnen in Heilig Kreuz, wie die paar Münzen, die der Stadtstreicher in den Opferstock wirft, eine Kerze entzündet und sich irgendwo ins Seitenschiff setzt.
„Per evangelica dicta deleantur nostra delicta“, betet Pötter still, nachdem er den Anfang des Evangeliums geküsst hat. Und wie ist das für einen Geistlichen, mit dem Rücken zur Gemeinde zu zelebrieren? Eine falsche Frage, weil es auf die Perspektive ankommt. Seine Haltung sei nicht trennend, so der 74-Jährige – im Gegenteil: „Ich blicke mit der Gemeinde zum Kreuz.“
Der Römische Ritus ist feierlich, sehr andächtig und mystisch, eben keine „Kaffeefahrtveranstaltung“, wie Pötter sagt. Und wer die lateinischen Worte und Sätze hört, die im Widerhall des Kirchenschiffes selbst für den Lateinkundigen zu einem geheimnisvollen Singsang verschwimmen, beginnt das Alter des Christentums zu erahnen, seine Wurzeln und die heilige Stille, die aus ferner Zeit zu kommen scheint. Ein tiefer Ernst wohnt dieser Messe inne und eine tiefe Ehrfurcht.
„Ecce Agnus Dei, ecce qui tollit peccata mundi.“ Bei der Wandlung halten die knieenden Messdiener die Zipfel der Priestergewandes. Auch damit wird die Gemeinschaft der Gläubigen am Geheimnis beteiligt. Sie geht in dieser kleinen Geste auf Tuchfühlung mit dem Großen. Der Ritus schöpft seine Feierlichkeit aus der Kraft seiner Symbole. So auch aus der Mundkommunion, die der Teilnehmer am Abendmahl gleichfalls knieend empfängt. Das macht heutzutage eigentlich keiner mehr. Selbst bei Gottesdiensten im Petersdom ist es längst üblich, die Hostie vom Priester in die Hand zu bekommen, aus der der Gläubige sie sich dann selbst in Mund steckt. Solche Eigenmächtigkeiten gibt es im alten Ritus nicht. In ihm wird die Mundkommunion zum Zeichen des Geschenk Gottes und wird die Ehrfurcht vor der Eucharistie unmittelbar erfahrbar.
„Benedicat vos omnipotens Deus, Pater, et Filius, et Spiritus Sanctus. Amen.“ Es ist bereits dunkel geworden, als die Gläubigen die Kirche verlassen. Der Gang heraus dem Kirchenportal erscheint jetzt wie der Übertritt in eine neue Gegenwart. Die Gemeinschaft, die vor Heilig Kreuz noch kurz beieinander steht, ist übersichtlich. Nächste Woche Montag aber wird sie wieder zusammenkommen.

https://nachrichten.rp-online.de/wissen/alter-ritus-ganz-lebendig-1.15125





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